Vorgeschichte:
Da waren sie wieder, die sanften grünen Hügel. Einzelne Gruppen weißer Punkte
markierten Jurten, und auf der grauen Landstrasse bewegten sich scheinbar unendlich
langsam Fahrzeuge in Richtung Ulaan Baatar oder hinaus in die endlose Weite der
mongolischen Steppe. Linker Hand tauchte grau und trist die Hauptstadt der Mongolei auf,
eingebetet in ein weites Tal, umgeben von sanften, auf den Nordseiten teilweise bewaldeten
Bergen. Genau dieses Bild hatte ich in Erinnerung behalten, und ihm hat ein ganzes Jahr
lang meine Sehnsucht gegolten. Als ich im September 1994 die Mongolei verließ war mir
klar, daß ich wiederkommen wuerde. Aber der Reihe nach:
Im Frühling 1994 machte ich mich das Erste mal daran, eine Reise in die Mongolei zu
planen. Inspiriert von Büchern über Dschingis Khan und durch die Erzählung meiner
Eltern, die die Mongolei in den 80`iger Jahren besuchten, wollte ich mit ein paar Freunden
endlich meinen Traum wahr werden lassen, zu Pferde dieses weite Land zu erschließen und
seine Bewohner kennenzulernen. Aber wie es so läuft, nach und nach sprangen alle aus den
unterschiedlichsten Gründen ab, und ich stand alleine da. Nichts desto trotz beschloß
ich, alleine in die Mongolei zu fliegen. Ich organisierte mir Visum und Flug und ab gings.
Für einen Monat wollte ich bleiben, und um eine möglichst abwechslungsreiche Landschaft
zu erleben und wenige Touristen zu treffen, wählte ich als Reiseziel Chovd, eine Stadt
zwischen Steppe und Altai, weit im Westen der Mongolei. Dieser Urlaub sollte, wie es sich
zeigte, nur ein "Erkundungsritt" werden, ich erreichte zwar Chovd, aber mit dem
Reiten klappte es nicht ganz so, wie ich mir es vorgestellt hatte. Dazu kam, daß aufgrund
der schlechten Infrastruktur in Chovd nur 16 Tage Zeit blieben, und ich dann schon wieder
zurück mußte. Aber die gewonnenen Erfahren waren sehr wertvoll und sollten als Basis
fuer einen weiteren, längeren Urlaub dienen. Ich wußte nun, daß man auf eigene Faust
reisen kann, daß man einen sehr guten Kontakt zu den Mongolen bekommt, wenn man wie sie
mit dem LKW reist. Und ich hatte etwas über die Mentalität dieses Volkes gelernt, nicht
viel, aber man konnte darauf aufbauen.
Reisevorbereitung:
Zunächst galt es im Frühjahr 1995 Reisepartner zu finden. Meine Freundin Susi und ich gaben eine Annonce auf und es meldete sich nach einiger Zeit ein Pärchen, Heike und Frank. Nun ging es ans Visa organisieren. Zu dieser Zeit benötigte man noch dringend eine Einladung, die für uns nur über ein Reisebüro zu bekommen war. Wir wollten sieben Wochen in der Mongolei bleiben, eine scheinbar lange Zeit, die aber durch die langwierigen Fahrten und die Gemütsruhe der Mongolen relativiert wird. Ich wand mich an die Berliner Außenstelle von Juulchin und wie im Vorjahr mußte ich pro Person und Woche Aufenthalt in der Mongolei eine Übernachtung bei diesem Reisebüro buchen, um eine Einladung zu erhalten. Überrascht waren wir allerdings, als wir nur zehntägige Visa erhielten, uns wurde aber versichert, daß uns das Reisebüro in Ulaan Baatar eine Einladung schreiben, und uns bei der Visaverlängerung unterstützen würde. Als nächstes galt es, Flüge zu organisieren, da wir uns rechtzeitig kümmerten, gab es damit keine Probleme. Zu guter letzt mußte das Reisegepäck fertig gemacht werden. Um möglichst unabhängig zu sein und aufgrund der schlechten Versorgungslage in der Mongolei, vor allem außerhalb der Hauptstadt, nahmen wir einen Großteil der Lebensmittel in Form von Lunchpaketen, Salami, BP 5 und Marsriegeln mit. Unseren Vitaminhaushalt deckten wir mit Multivitaminbrausetabletten und zum Desinfizieren des Wassers dienten Certisil- Tropfen. Wichtig war auch die große Reiseapotheke, die auch Antibiotika enthielt! Da dies alles für eine lange Zeit reichen mußte und somit ein großes Gewicht einbrachte, wurde vor allem bei der Bekleidung gespart. Diese sollte vor allem leicht und zweckmäßig sein. Alles in allem hatte jeder 30 kg auf dem Rücken, und es war nichts wirklich entbehrliches mehr im Gepäck. Am 8. August ging es dann endlich los, und am nächsten Morgen landeten wir in U. B.!
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
Ulaan Baatar:
In U. B. erwartete uns eine böse Überraschung. Zunächst war niemand von Juulchin am
Flughafen, eigentlich sollten wir abgeholt werden. Wir drängten uns zu einer anderen
Reisegruppe in den Bus und fuhren zum Zuchi- Hotel, das sich am südlichen Rand der Stadt
befindet, direkt an der großen Hauptstraße zum Flughafen. Dort trafen wir Heike und
Frank, die einen Tag eher mit einem Flugzeug der MIAT angekommen waren. Gemeinsam gingen
wir zum Juulchin- Reisebüro, wo wir von einem netten, unverbindlichen Herren begrüßt
wurden, der uns mitteilte, daß es neue Regelungen gäbe und er uns leider nicht bei der
Visa- Verlängerung helfen könne. Wir hielten alles zunächst für einen Scherz, aber
nachdem wir mehrere Tage alles versucht hatten, einschließlich Telefonate nach Dresden,
mehreren Gängen zum Außenministerium, Sitzstreik bei Juulchin und sogar einer Note der
Deutschen Botschaft, schien es traurige Gewißheit, daß wir nach zehn Tagen in den
Flieger gesetzt würden und wir 3000,- DM umsonst investiert hätten. Ein letzter Versuch
führte uns am neunten Tag direkt zum Deutschen Botschafter, der sich die Zeit nahm und
mit uns zu einem Gespräch mit dem Chef des Reisebüros fuhr. Und wie ein Wunder,
plötzlich war alles ein Mißverständnis, wir hätten doch gleich sagen können, es täte
ihm so leid... Der Herr, der uns die ganze Zeit abblitzen lassen hat, übergab uns mit
einer fürchterlich säuerlichen Miene ein Zettel, auf dem zwei Zeilen geschrieben waren
und Stempel und Unterschrift eines Juulchin- Managers. Damit war es dann kein Problem
mehr, die Visa zu verlängern und der Urlaub konnte beginnen.
In der Zeit, die wir mit der Organisation der Visa zu tun hatten, unternahmen wir täglich
Ausflüge in den angrenzenden Nationalpark, vielleicht eine halbe Stunde Fußweg über den
Fluß vom Hotel aus. Die Wiesen waren gerade voller Sommerblumen und einem Meer von
Edelweiß. Es war jedesmal sehr entspannend, die Ruhe und der Duft der Wiesen ließ uns
unseren Ärger vergessen. Am zehnten Tag standen wir noch vor Sonnenaufgang auf. Wir
wollten frühstmöglich auf den "Busbahnhof" sein, ein Platz, wo die staatlichen
Überlandbusse starten, der aber auch eine Art Mitfahrzentrale ist. Dort stehen private
LKW- Fahrer, ein Zettel im Fahrerhaus wies das Fahrziel aus, und warten auf Mitfahrer.
Gegen sieben Uhr langten wir dort an und wir hatten Glück - ein Mongole wollte direkt
nach Chovd. Er hatte offensichtlich in U. B. Besorgungen gemacht und sammelte jetzt Leute
ein, um sich das Benzin für den Rückweg zu finanzieren. Da außerhalb der Hauptstadt
alles - auch Benzin - Mangelware ist, standen zwei große Fässer auf der Ladefläche, die
noch vollgetankt werden mußten. Diese Gelegenheit nutzten wir gleich, um auch unsere
beiden 1,5 l- Flaschen für unseren Kocher zu füllen. So ging es dann gegen Mittag auf
der Ladefläche eines Sil (russischer LKW) in Richtung Chovd, eine Strecke von ca. 1500
km.
7 |
8 |
9 |
Nach Westen
Eine Fahrt von 1500 km Länge in der Mongolei bedeutet, mindestens drei Tage und
Nächt! (mit nur kurzen Unterbrechungen) auf Achse zu sein. Die Straßenverhältnisse
werden immer krasser, je weiter man sich von der Hauptstadt entfernt. Bis zur 400 km
entfernten Stadt Arvayheer ist die Straße noch asphaltiert, danach geht sie in eine Piste
oder besser in viele Pisten über, die teilweise parallel verlaufen, sich teilweise in der
Steppe verlieren und irgendwann wieder aufeinander treffen. Immer, wenn wir irgendwo an
einer Jurte hielten, wurden Milchtee und Käse angeboten. Teilweise gab es so etwas wie
"Gaststättenjurten", in denen man auch warm essen konnte. Unter den
mitreisenden Mongolen herrschte beste Laune, und schnell hatten wir Kontakte geknüpft.
Susi spricht gut russisch und ich kannte vom vorangegangenen Jahr noch einige mongolische
Wörter, vor allem Tiernamen. Bald war eine kleine Sprachschule eröffnet, und wir lernten
die Namen sämtlicher am Straßenrand auftauchender Tiere, wir erfuhren was Sonne und
Wasser heißt und andere Sachen, die man durch zeigen erklären kann. Großes Interesse
erweckte auch ein kleines Fotoalbum, in dem ich Bilder von Mongolen aus dem letzten Urlaub
und auch von Dresden einsortiert habe. Einer der Mongolen erkannte mich auf einem Foto
wieder (im ersten Jahr hatte ich schulterlanges Haar, 1995 Igel). Susi kam mit einer Frau
ins Gespräch, die auch etwas russisch versteht und erzählte dieser, was wir vorhatten.
So erfuhren alle Passagiere, daß wir nach Chovd wollten, und daß wir uns dort Pferde
borgen wollten, um durch die Berge zu reiten. Und wie um uns für die schwierigen neun
Tage in U. B. zu entschädigen, war tatsächlich ein junger Mongole bereit, uns Pferde zu
geben, sein Großvater lebt in einer Jurte am Har Us Nuur, einem großen See, 40 km
nordöstlich von Chovd. Wir handelten einen Preis aus, der sich so nahe wie möglich an
die mongolischen Gegebenheiten anpaßte. In Archangai wurde nochmal Benzin getankt. Kaum
hatte der Wagen gehalten, kamen von allen Seiten Frauen und Kinder, die kleine Imbisse
(Buuz) und Milchtee anboten. Darunter war auch ein Mädchen, das sehr gut englisch sprach
und als unsere mitreisenden Mongolen merkten, daß ich mich mit ihr unterhielt, wurde sie
gleich als Dolmetscher eingesetzt. So konnte ich nochmals ausführlich und mit der
Gewißheit, auch richtig verstanden zu werden, alles erzählen und die Neugier der
Einheimischen als auch die unsrige befriedigen.
10 |
11 |
12 |
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
19 |